Mit dem Wohnmobil durch Island - 7 Wochen Rundreise - Teil 12 - Dettifoss und Mývatn

Teil 12 - Dettifoss und Mývatn
Feuerwerk der Naturwunder


Wir sind auf dem Stellplatz Nummer 74. So viele Plätze haben wir schon dokumentiert, fotografiert, begutachtet und diskutiert. Der aktuelle Platz ist nichts Besonderes - aber mitten in der Stadt und da wollen wir hin. Wir sind in Akureyri und es fühlt sich riesig an, Großstadt. Die größte Stadt Islands nach Reykjavik und den Gemeinden drumrum, die Metropole des Nordens. Ein riesen Einkaufszentrum, Mega-Schwimmbad, im Hafen viele Schiffe, eine Füßgängerzone mit vielen Touri-Läden, der Wahnsinn. Die Stadt hat 18.000 Einwohner. Wenn Kreuzfahrer da sind mehr. Aber heute und morgen sind keine hier und wenn übermorgen die AIDALuna kommt sind wir schon wieder weg.

Aber der Reihe nach - wir wollen ja zum Dettifoss, dem mächtigsten Wasserfall Europas. 85 MW. 200.000 Kubikmeter Wasser jede Sekunde, die 45 m tief fallen. 200 Tonnen Wasser. Jede Sekunde. Das ist wahrscheinlich unvorstellbar und das ist es auch, wenn man direkt davor steht. Daher erst einmal mal mein Lieblingsbild, wo man die Menge des Wassers am besten sehen kann, auch wenn nur ein kleiner Teil des Wasserfalls drauf ist.

Jutta vor dem Dettifoss

Zum Vergleich: Der Rheinfall ist fast genauso mächtig. Er führt sogar fast doppelt so viel Wasser, fällt aber nur halb so tief - damit hat er fast die gleiche Leistung. Kleine Abhandlung: Die Leistung ist ja Energieumsatz pro Sekunde, der Energieumsatz ist Masse * Höhe * Erdbeschleunigung und damit proportional zu Höhe und Masse. Wenn man also alles multipliziert kommt ein Energieumsatz von 88,3 Millionen Wattsekunden raus. Leistung 88 Megawatt. Das ist atemberaubend, wenn man davor steht. Es ist recht spektakulär und laut, auch wenn man wegen der ganzen Gischt das Ende des Falles gar nicht sieht. Es ist einfach nur überall Wasserspray. War ein super Erlebnis. Übrigens: Letztes Jahr waren wir auf der Ostseite. War anders. Wer wissen will wie, der schaut in den Blog vom letzten Jahr.
Dettifoss

Danach waren wir übrigens noch am Selfoss, wo der gleiche Fluss weniger spektakulär und auch nur 10 m in die Tiefe fällt. Trotzdem schick.

Selfoss

Und einen Tag vorher, da waren wir am Mývatn (dt. “Mückensee”). Der See heißt nicht ungefähr so , im Sommer und bei guten Wetter finden sich hier Millionen von Mücken, die in schwarzen Säulen über den See fliegen. Deshalb nennt man diese Mückenart hier auch Rykmý, die Staubmücke. Es handelt sich um nicht stechende Zuckmücken, die aber wegen der schieren Menge zur Plage werden können, denn selbst das atmen fällt schwer. Die Mücke kriecht in Mund und Nase. Aber es gibt ja Mückennetze.

Alex under Cover

Die Region um den Mývatn darf man getrost als Feuerwerk isländischer Naturwunder bezeichnen. Hier gibt es so viel Sehenswürdigkeiten, dass uns schwindelig wurde. Das Motto der Region würde ich als “Lava trifft auf Wasser” bezeichnen. Eine Landschaft die an fremde Planeten erinnert, kochende Schlammtümpel neben übelriechenden Solfataren, riesige Krater, bizarre Lavaformationen und inmitten all dieser Naturwunder der blaue See, der mit seinen ca. 50 Inselchen fast schon kitschig anmutet. Der See liegt direkt auf der Grabenzone der Kontinentalplatten. Der Hverfell, ein riesiger, auch heute noch dominierender Explosionskater hat die Gegend geformt, dazu die lang anhaltenden Magmaauswürfe des östlich liegenden Krafla-Systems. Die letzten großen Ausbrüche stammen aus den Jahren 1725 (“Mývatn-Feuer”) und das neun Jahre dauernde “Krafla-Feuer” im Jahre 1975. Die Krafla haben wir natürlich besucht. In der Ferne sehen wir schon die riesigen Rauchsäulen aus dem Bohrlöchern des Kraftwerks Kröflustöð (dt. “Krafla-Station”). Wir finden uns in einem Gewirr aus Dampfleitungen, die hier die Gegend dominieren. Das Kraftwerk wurde bereits ab 1975 gebaut, wegen der “Krafla-Feuer” im Jahre 1975 aber zuerst nicht mit voller Leistung betrieben. Große Diskussion am Rande: Gab es die Krafla Feuer etwas genau wegen des Kraftwerks? Immerhin werden da riesige Löcher in den Boden getrieben. Heute produziert es 60 MW Strom. Ein kleiner touristischer Nebeneffekt: Das Abwasser fließt durch einen kleinen Fluss ab, der recht warm ist. Eine warme Dusche mitten auf einem Parkplatz können wir nutzen - vor allem auf der Rückfahrt für das waschen der Wanderschuhe, denn die werden gleich richtig schmutzig. Wir fahren zum Kratersee Víti (dt. “Hölle”), 320 m im Durchmesser und 33 m tief. Wir sind einmal drumrum gelaufen, im hinteren Teil haben wir dann auch noch zischende Bohrlöcher des Kraftwerkes und die Dampfleitungen entdeckt. Eine Szenerie wie aus einem Science-Fiction Film, die Landschaft um uns herum erinnert nicht mehr an unseren Heimatplaneten. Die Wanderung ist nur 1,5 km lang - wir haben aber eine Stunde gebraucht. 

Der Kratersee Viti

Und der kleine Bruder nebenan

So stelle ich mir die Mars-Basis vor

Kröflustöð

Lustig: Eine Dusche (die immer läuft) im Nirgendwo

Unser nächster Stopp ist nur einen Katzensprung entfernt, hier sieht es ähnlich aus. Das Hochtemperaturfeld Hverir (eigentlich Hverarönd). Das Wort Hver bedeutet “heiße Quelle” und das ist dem Ort deutlich anzusehen. Blubbernde Schlammlöcher, spritzende, matschige, kleine Seen, dazu zischende und dampfende Erdlöcher.  Hier sieht es nicht mehr aus wie auf einem fernen Planeten sondern wie in der Hölle. Überall Fumarole (dampfende Löcher) und Solfatare (Fumarole, aus denen Schwefeldämpfe entweichen und damit stinken wie die Pest). Diese geben dem Berg hinter uns übrigens seinen Namen - den Námafjall (dt. “Minenberg”). Hier wurde im 19. Jh Schwefel abgebaut und exportiert. Auf den Berg wollten wir wandern, es war aber zu matschig.

Das Hochtemperaturgebier Hverir

Jutta im Dampf (riecht lecker)

Schlammblubber

hier kocht der Matsch


Der Berg Námafjall 

Wieder auf dem Mars

und noch mehr kochende Quellen

Dampfsauna

Next: Die Pseudo-Krater Skútustaðagígar. Pseudokrater haben keine Magmazuleitung und entstehen wenn heiße Lava über Wasser fließt. Das schlagartig verdampfende Wasser reißt das Lava auf und bildet einen Krater, der einem Explosionskrater sehr ähnlich ist. Und genau dieses Phänomen sehen wir hier.

Pseudokrater bei  Skútustaðagígar

Hier von dicht

Dimmuborgir (dt. “dunkle Burgen”) ist eines der beliebtesten Sehenswürdigkeiten hier. Sehr anmutig geformte Lava in Form von Türmen mit spitzen Dächern, die ein wenig an Ruinen erinnern finden wir hier. Entstanden ist dieser Bereich durch einen zusammengefallenen Lavasee, der sich über einem Sumpf sammelte. Durch das Verdampfen des Wassers entstanden Hohlräume, die dann kollabierten und diese einzigartige Welt formte. Durch das Gebiet führen unzählige, labyrinthartige Wanderpfade die gut markiert und leicht zu laufen sin. Wir haben uns für den kurzen, ca 2,5 km langen “Kirchenpfad” (Church Circle) entschieden. Eine tolle Wanderung.

Dímmuborgir

Schöne Wanderwege

Luftaufnahme von Dímmuborgir

Und ein Panorama. Im Hintergrund der riesige Krater Hverfjall


Und dann geht es noch auf den riesigen Krater Hverfjall. Es geht 600 m weit und 100 m hoch. Von hier hat man nicht nur einen tollen Blick in den Krater sondern auch auf den gesamten See. Der Krater ist sehr imposant und von überall in der Region omnipräsent. Es handelt sich um einen gigantischen, 1 km im Durchmesser (!) messenden Explosionskrater der entstand, als Magma auf Grundwasser traf und explodierte. Das entstandene Tuff-Gestein knirscht unter unseren Wanderschuhen und deutet so von der besonderen Art dieses Kraters. 

Auf den Krater Hverfjall. Oder wieder auf dem Mars

Blick von oben

in die andere Richtung



Und dann waren wir auch wirklich bedient von all den Dingen, die wir heute gesehen haben. Dabei ist der See, der uns den ganzen Tag begleitet hat nicht weniger interessant. Es ist der viertgrößte See Islands, der sehr flach ist. Auf der Fahrt um den See herum gibt es viele Parkplätze, wir halten hier und da immer mal an. Die Lavaformationen vor dem glasklaren See in der grünen Landschaft sehen einfach einzigartig aus. Dazu die vielen kleinen Inseln im See - ein toller Ausblick. De See friert durch seine vielen warmen Zuflüsse übrigens im Winter nie zu. Auch viele Vögel brüten hier, vor allem viele Entenarten. Die große Anzahl an Insekten und der flache See sind ideale Voraussetzungen für die Vögel. 

Der Mývatn

auch mit schicken Gesteinsformationen


Viele Vögel


Da die Campingplätze am See sehr teuer und voll sind entscheiden wir uns für eine späte Weiterfahrt direkt zum Dettifoss, wo wir dann ganz früh am nächsten Morgen waren. Daher stammt auch das schöne Bild, Jutta ganz alleine vor dem Wasserfall. Am nächsten Tag machen wir mal Pause. Naja - fast. Wir müssen ja noch Campingplätze scouten. Einer davon hat uns so gut gefallen, dass wir gleich da geblieben sind. Wir kamen sehr nett ins Gespräch mit dem Besitzer, der fließend deutsch sprach. Der Campingplatz war auch mal anders als in Island üblich. Gewohnt sind wir einfache Wiesen, auf denen ein Sanitärhäuschen oder Container steht. Alle stellen sich dahin, wo grad Platz ist. Geld wird abends eingesammelt (in Island natürlich mit Kartenleser). Hier gibt es eine Rezeption (ok, es war das Wohnzimmer), eine Schranke von der Einfahrt und mit Büschen parzelliert Plätze, die alle Nummern tragen. Wie bei uns zu Hause ;-). Und das mitten in der Pampa, also fast. Der kleine Ort Laugar hat ein modernes, tolles Schwimmbad mit 25 m Mecken und tollen Blick. Auch in der Pampa. Wir fanden es hier so toll, dass wir gleich hier geblieben sind. Außerdem gab es gutes WiFi, so konnte ich mal wieder ein paar Bilder hochladen, die ihr hier jetzt zu sehen bekommt.


Mal ein anderer Campingplatz

Bevor wir in Akureyri ankommen passieren wir noch meinen Lieblingswasserfall, den Goðafoss. Eigentlich wollten wir hier gar nicht anhalten, denn letztes Jahr haben wir hier eine ganze Nacht verbracht. Außerdem hat es angefangen zu regnen. Aber als wir da sind scheint die Sonne genau über den Wasserfall, im Hintergrund die Hintergrund Wolken. So ein Wahnsinn. Wir waren fast eine Stunde hier.

Goðafoss

Noch einmal der Aufruf: Ich habe nur noch eine Leserfrage. Also immer her damit. Alles, was ihr so wissen wollt, wenn ihr hier mal her fahren würdet. Die heutige Frage dreht sich um Schwimmbäder - das scheint ja unsere Lieblingsbeschäftigung zu sein. Stimmt - das ist sehr isländisch. Schwimmbäder gehören zutiefst zur isländischen Kultur. Bereits im 13. Jh gab es private Bäder, das bekannteste ist das Snorralaug von Snorri Sturluson. Da kommen wir noch hin. So richtig in Fahrt kam die Sache Anfang des 20. Jh. als Geburt der Badekultur auf Island. In den 1920er Jahren wurde ein Gesetz verabschiedet, welches Schwimmunterricht der Fischereination zum Pflichtfach machte (was auch heute noch so ist, jedes Isländische Schulkind kann in der 1, Klasse schwimmen). Es wurden Bäder gebaut was das Zeug hält. Denn die Bäder bereicherten die Kultur des Landes. Plötzlich hatte man immer etwas zu tun, auch wenn es regnet oder im Winter - so nahmen die Bäder eine zentrale Rolle im Leben ein. Seitdem brach ein regelrechter Wettstreit der Gemeinden aus, wer denn das fortschrittlichste Bad baut und die Kunst des Betonierens zeigte. Heute gibt es 169 Bäder auf der Insel. Und jedes Bad ist eigentlich identisch, also außer die Länge des Schwimmbeckens. Die pendeln zwischen 16,67 m (kleines Bad), 25 m (normales Bad) und 50 m (besonderes Bad). Dazu gibt es immer mindestens einen Hot-Pot, meistens aber 2 oder mehr. Wenn ein Hot-Pot, dann 39°C. Wenn 2 dann 38 und 40. Wenn mehr dann auch mal 41. DIe Kinderbecken haben alle genau 37 Grad und die Sportbecken genau 28,4 (wir haben nachgefragt). Dazu meist eine Rutsche. Nun müssen wir zugeben, dass ein Schwimmbad in einem Land, wo das warme Wasser einfach aus der Erde kommt auch relativ einfach zu realisieren ist.



Ein typisches Schwimmbad in einem kleinen Dorf (hier Laugar, 100 Einwohner)



Wichtig sind die Regeln im Schwimmbad, die überall in Island gleich sind und wirklich gelebt werden. Jedes Kleinkind kennt sich aus. Noch im Kassenraum, meist direkt hinter der Tür werden die Schuhe ausgezogen. Dazu stehen überall Schuhregale. Strümpfe darf man anlassen. Dann geht es in die Umkleiden, die sehr unterschiedlich ausfallen. Größere Bäder in der Stadt haben abschließbare Schränke, oftmals aber kommen die Klamotten einfach in bereitgestellte Körbe. Für Wertsachen gibt es dann kleine Fächer oder man gibt die einfach an der Kasse ab. Dann - ganz wichtig: Handtuch und Badeutensilien mitnehmen (sonst bekommt man später ein Problem) und in Fächer bei den Duschen legen. Dann - noch wichtiger: Ohne Badekleidung abseifen und gut waschen. Seite und Shampoo gibt es in allen Schwimmbädern bei der Dusche. Für Ausländer hängen dazu Schilder mit der Abseif-Anleitung in 5 Sprachen. Dann Badehose an und ab ins Schwimmbad. Da fast alles Freibäder sind ist das für uns erstmal recht kalt an der Luft, aber mittlerweile sind wir dran gewöhnt. Wir schwimmen meist genau 1000 m, dazu sind immer ganze Becken oder Bereich abgetrennt. Wer da nicht schwimmt sondern trödelt fliegt raus. Dazu gibt es spezielle Bereiche, die Kinderpools (in der auch Erwachsene gerne liegen) und die Hot Pots. Die Hot Pots dienen als Kommunikationszentrale im Ort und gerne ist auch die ganze Familie da. So, und beim zurückgehen gibt es auch wichtige Regeln. Das allerwichtigste: Abtrocknen immer in der Dusche - nie und niemals nass in den Umkleidebereich. Das ist in Island das schlimmste Verbrechen.







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