Ocean Sailing - Von Teneriffa auf die Kapverdischen Inseln



Wer gerne segelt, der träumt davon: Einmal Ozean-Segeln und die Freiheit von Meer und Wind erfahren. So ging es auch mir – und dank Baju und der Baju Crew konnte ich diesen Traum verwirklichen. 800 Seemeilen habe ich Heike und Stefan begleitet, von den Kanarischen zu den Kapverdischen Inseln, von Teneriffa bis Sal und weiter nach Boa Vista. 770 Seemeilen quer über den Atlantik, 5 Tage lang nur Wind und Wellen, kein Land und kein Handy. 770 Seemeilen sind eine ziemliche Strecke: 1400 Kilometer (eine Seemeile entspricht einer Bogenminute der Breitengrade und ist damit die einzige auf unsere Erde basierende Längeneinheit der Welt). Für die Nord- und Ostseesegler: Von Cuxhaven erreicht man damit locker die Faröer Inseln (690 sm) – oder auch die französische Stadt Nantes (760 Seemeilen). In der Ostsee kommt man bis St.Petersburg, wenn man von Kiel losfährt. Das alles nonstop in 110 Stunden, also genau 7 Knoten (Seemeilen pro Stunde) Durchschnittsgeschwindigkeit




Angetrieben von den natürlichern Kräften unserer Atmosphäre, dem stetigen Austausch von Luft, bewegt sich Baju. In diesem Fall benutzen wir die große Tiefdruckzone um den Äquator (InterTropische Konvergenzzone – ITC), in die ständig Luft nachströmt und durch den Corioles Effekt nach Osten abgelenkt wird. Diese Luftströmung nennt sich Nordostpassat und bringt uns zügig voran. Der Wind beherrscht das Leben auf so einer Reise. Er bestimmt unseren Lebensrythmus und unsere Gedanken. Die Windvorhersage wird zum zentralen Thema. Bei 25 Knoten Wind aus Nordost laufen wir aus, Tendenz abnehmend. Sind es am dritten Tag kurzzeitig unter 20 Knoten so frischt es zum Ende wieder auf 25 Knoten auf. Nicht schlecht für die erste Ozeantour. Viel mehr macht dann keinen Spaß mehr. Schon 25 Knoten sind für uns eine Herausforderung – nicht des Windes sonder vielmehr der Wellen wegen.

Bei diesen Windverhältnissen brauchten wir das Großsegel nur wenig. Wenn Baju ständig mit 14 Knoten die Wellen runtersaust und gurgelnd im Tal ankommt dann ist das auf die Dauer nicht sonderlich gemütlich. Bei 25 Knoten Wind reicht dann auch ein Vorsegel, teilweise auch nur zu Handtuchgröße ausgewickelt. Nur an einem Tag mit weniger Wind haben wir mal das Groß gesetzt. Zur Nacht wurde es aber wieder geborgen, zur Stressreduzierung. So machten wir am Tag um die 8 Knoten, in der Nacht eher 6. So ersegelten wir Etmale von 160, 160 und 165 Seemeilen.



Die Windvorhersage vom 12.12., unserer Abreise. Schön zu erkennen: Der riesige Windschatten des Teide, der 3800m hoch den Wind in der ganzen Region beeinflusst. In Wirklichkeit war es noch extremer: Der Wind kam aus Süd! 3 Stunden mussten wir Motoren, dann kamen wir aus der Abdeckung und hatten über 20 Knoten Wind. Es ging los...

Das Großsegel wird zur Nacht verstaut




Wenn der Wind über das Meer weht, dann entstehen Wellen. Und je mehr er weht, desto höher werden diese. So viel zur Theorie. In der Praxis kneift man schon mal die Arschbacken zusammen, wenn sich eine brechende 4 Meter Welle nähert. Hohe Wellen können am Strand Spaß machen, auf einem Segelschiff machen sie im Prinzip nur Arbeit und Mühe. Das Material leidet und auch der Schlaf. Sind Ozeanwellen bei 15 Knoten eine harmlose Angelegenheit, so sieht das bei 25 Knoten schon ganz anders aus. In Kürze wird dann aus schicken, 1 Meter hohen und langen Wellen ein sehr unruhiges Meer. Die Wellen werden kurz und unregelmäßig, brechen sich des öfteren und sind dann schon mal 4 m hoch, das sieht dann aus wie ein Berg hinter einem. Die eine oder andere Welle klatscht gegen die Bordwand und dann wird es selbst im Cockpit der Baju, das an sich fast 2 m über der Wasserlinie thront,  schon mal nass (das möchte ich nicht auf einem Monohull erleben, wo das Cockpit ganz dicht am Wasser ist). Aber üblicherweise hebt sich Baju einfach drüber hinweg und surft dann mit über 10 Knoten die Welle hinunter, 15,4 Knoten war unsere Höchstgeschwindigkeit.


Unsere Abreise: Im Hintergrund die Insel Teneriffa, im Wellental kaum mehr zu sehen

WIr sind schnell unterwegs

Und immer die Wellen rauf ... und wieder runter


Was macht man denn den ganzen Tag so auf dem Meer war eine häufige Frage vor meiner Abreise. „Ich schau mir einfach nur die Wellen an, damit ich mal richtig entspanne“ war meine übliche Antwort. Und in der Tat ist es genau das, was man meistens macht, denn die Vielseitigkeit und Bewegung der Wellen hat etwas ganz Besonderes und ist in der Tat extrem entspannend. Man sieht den Sonnenauf- und Untergang auf dem Meer, das ist ja so häufig nicht zu beobachten. Gegessen haben wir ganz normal, ein Frühstück mit Brot und starkem Kaffee. Mittagessen konnten wir Dank der stabilen Segeleigenschaften von Baju ganz normal zubereiten, es gab Nudeln mit Fleisch oder Gemüsesauce, eine Gemüsesuppe und einen Tag sogar Fajitas mit allem was dazugehört. Natürlich musste auch die Angelleine bedient werden (gefangen haben wir aber leider nichts) oder man hat gelesen oder diskutiert. An einem Abend haben wir sogar einen Film geschaut (mit frischem Popcorn), das hat aber nicht geklappt, weil ich dabei seekrank wurde.



Wir hatten Glück, bei Vollmond legten wir ab und die erste Nacht war so taghell erleuchtet. Das machte die Eingewöhnung leicht. Zum Ende der Tour war der Mond dann erst 5 Stunden später da und die Nacht begann rabenschwarz – bei den ganzen Wellen eine ziemlich atemberaubende Angelegenheit. Dann sieht man nur noch das Leuchten des Planktons (oder genauer: der Dinoflagellaten, die biolumineszensfähig sind) – sehr schön anzusehen wenn wir 2 helle Streifen im Meer hinterlassen . Wenn man dann die Sterne mit Plankton verwechselt, dann weiß man, dass eine große Welle von hinten naht. Puh. Unsere Wache haben wir so eingeteilt, dass jeder 2 Mal pro Nacht je 2 Stunden Nachtwache schieben musste. Also Segelstellung überprüfen und nach anderen Schiffen Ausschau halten (von denen wir 5 gesehen haben, 3 in der ersten Nacht). Und danach wieder in die Koje. Am ersten Tag viel das Schlafen schon noch schwer, denn es ist laut und sehr wackelig. Doch die Müdigkeit und wohl auch die Gewöhnung machen es an den Folgetagen einfacher.


Unser Plan für die Nachtwache





Wenn man auf dem weiten Ozean etwas erblickt, dann ist das natürlich immer etwas besonderes. So haben wir 2 Delfingruppen gesehen, was einfach irre war. Die erste Gruppe hat uns zwar einfach vorbeisegeln lassen aber die zweite hat uns dann fast eine halbe Stunde begleitet. Wohl so um die 60 Tiere, allein 20 vor dem Bug der Baju. Wahnsinn. Und ständig tobten die Delfine durch die Wellen und sprangen meterhoch. Das war beeindruckend. Nicht weniger beeindruckend waren die Wale, deren Weg wir später zwischen Sal und Boa Vista gekreuzt haben. Ich dachte, wir fahren einen Wal um, aber rechtzeitig tauchte er ab und kam erst nach einer Minute wieder zum Vorschein.

Sonst sieht man noch Vögel, meistens Lummen, Seeschwalben oder Möwen. An Fischen haben wir nur die fliegende Gattung zu Gesicht bekommen, einige davon mussten wir dann nach der Reise vom Netz oder aus dem Dingi entsorgen.










Unser vierter Mann war Günther, die Selbststeueranlage. Ohne Günther wär eine solche Tour kaum möglich, denn es ist auch so schon anstrengend genug. Aber Günther hat ohne Murren die 110 Stunden Tag und Nacht durchgehalten und uns auf Kurs 207 Grad gehalten. Wenn er mal nicht mehr konnte, weil mehrere Wellen die Baju von Kurs abbrachten, machte er laut auf sich aufmerksam. So konnte man auch nachts mal vor sich hin dösen. Auch das GPS (was auf der Baju komischerweise gar keinen Namen hat) ist natürlich ein wichtiges Gerät und zeigt uns Kurs, Geschwindigkeit und verbleibende Wegstrecke an. Eine Seekarte - (bzw heutzutage Kartenplotter) – bei Küstentouren das meist konsultierte Gerät auf dem Schiff – ist unwichtig und wird kaum betrachtet. Wozu auch, um uns herum ist ja nur Meer. Nur bei der Ankunft wird das Gerät wieder wichtig. Auch das Echolot benutzen wir nur aus Interesse an der Wassertemperatur, denn die 4000 Meter Tiefe kann das Gerät eh nicht messen. Die Kurzwellenfunke ist da schon wichtiger, wir hören jeden Morgen Intermar zu und holen uns per Pactor-Modem die neusten Windvorhersagen und die e-mails von zuhause. Normalerweise hätten wir auch so e-mails versenden können, aber senden hat bei der ganzen Schaukelei (oder warum auch immer) nicht geklappt. Also musste meine Familie zuhause warten, bis wir wieder Handy Empfang hatten.




Am 5. Tag pünklich zum Sonnenaufgang hatten wir Land in Sicht. Sal, die nördlichste der Kapverdischen Inseln erschien im Dunst der Morgensonne. Unser Ziel war Palmeira, ein kleines Hafendorf. Bei der Schätzung über die Anzahl der Segler dort haben wir uns kräftig vertan. Statt 8 (Heike), 7 (Alex) oder 3 Yachten (Stefan) fanden wir dort über 20 Schiffe liegen, fast alles Franzosen. So begrüßte uns dann auch Zidane mit seinem schwimmenden Bauchladen kurz nachdem wir den Anker fallen ließen: Wasser, Diesel, Frühstücksservice, Airport Transfer, Wassertaxi, sonstige Dienste – und das alles in 5 Sprachen auf einer Menükarte – ich war beeindruckt. Die kleine Stadt ist sehr schick und auch die Hafenpolizei checkt uns schnell und unkompliziert ein. Willkommen auf den Kapveden.




In den 3 folgenden Tagen erkunden wir die Insel, zuerst per Bus bis in den Süden, dann mit der Baju erst in eine einsame Bucht und später in den Touristenort Santa Maria. Erst danach fahren wir 30 Seemeilen weiter auf die nächste Insel Boa Vista. Von dort geht es für mich zurück nach Hause.

Kommentare