Nahverkehr in Berlin - die ganze Wahrheit

Wenn man in Berlin plant, den öffentlichen Nahverkehr zu benutzen freut man sich  ja wirklich sehr über einen sehr guten Ausbau desgleichen und studiert lange den schönen, bunten Plan mit all den S- und U-Bahn Linien die kreuz und quer durch Berlin fahren. Nur leider handelt es sich überhaupt nicht um einen Plan. Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob es sich bei dem Ding gar um ein Werk aus dem Museum für moderne Kunst handelt oder ob es dann doch einen Plan darstellt, wie die Situation im Jahr 2025 aussehen soll. Die Realität ist nämlich leicht anders.

Zuerst die S-Bahn. Eigentlich genial, überbrückt sie doch große Entfernungen in kurzer Zeit. Glücklicherweise waren wir am Freitagabend noch spazieren und passierten eine S-Bahn Station, wo wir dann den aktuellen Fahrplan lesen durften. Der Text auf einem etwa 4 Meter langen Ausdruck  (Auszug): Die S7 fährt dieses Wochenende nicht zwischen Friedrichstraße und Alexanderplatz, nutzen sie stattdessen die S5 oder S9. Die S5 fährt leider nur zwischen Montag und Dienstag in der Osterwoche, stattdessen können sie die S41 über Südkreuz nehmen. Diese fährt allerdings nur an parlamentsfreien Tagen, nehmen sie dann alternativ die Regionalzüge über Leipzig oder Halle (Fahrkarten des BVV werden akzeptiert). Auf der Linie S9 ist mit Einschränkungen zu rechnen und fährt nur unregelmäßig nach Wetterlage.

Nach meinen Recherchen bedeutet das, dass die S-Bahn morgen gar nicht fährt, was nur etwas komplizierter ausgedrückt wird.

Wers nicht glaubt, der schaut hier (und das ist nur die Kompaktversion)



Also umplanen – es gibt ja noch die U-Bahn. Wir steigen in die U-Bahn Station vor unserem Hotel ein, das U-Bahn Netz ist hier wirklich sehr dicht. Ist aber natürlich ein Trick, denn in Berlin wird jede Fußgängerunterführung und jedes Kellergeschoss als U-Bahn Station verkauft – leider sind die Gleise noch nicht fertiggestellt. Aber nein, hier gibt es wirklich Gleise und auch eine U-Bahn bekommen wir zu Gesicht. Kurz auf den Plan geschaut – wir müssen 8 Stationen fahren und dann umsteigen.
Nach 2 Stationen eine Durchsage: Wittenbergplatz - Endstation – bitte alle aussteigen. Wir springen aus dem Zug und stehen auf einem verlassenen Bahnhof, alle weiteren Gäste, meist Touristen aus asiatischen oder Osteuropäischen Ländern, bleiben sitzen. Die Armen. Denn kurz danach fährt der Zug wieder zurück, wahrscheinlich pendeln die jetzt immer noch. Daher hat Berlin auch so viele Touristen. Die kommen da nie wieder weg.

Wir finden des Rätsels Lösung schnell mit einem kleinen Hinweis an der Wand: Die U1 fährt nur im Pendelbetrieb zwischen Uhlandstr und Wittenbergplatz. Nutzen sie die U2. Ah, das geht ja auch, die fährt ja auch zum Alexanderplatz und außerdem fährt die U2 nach Pankow. Da kann man so herrlich die alten Udo Lindenberg Songs rauskramen. Was leider nicht klappt, denn nach 4 Stationen ist schon wieder Schluss. Endstation. Die U2 ist wegen Bauarbeiten bis Potsdamer Platz gesperrt. Bitte nutzen sie die Ersatzbusse am Ausgang Süd.

Prima! Und wo ist der Ausgang Süd? Gibt es jemanden, der in einer U-Bahn Station die Himmelsrichtung erahnen kann. Ich merke mittlerweile nicht mal mehr, wo oben und unten ist. Naja, ist ja auch egal, wir gehen einfach der Masse hinterher, steigen in den Bus und landen am Potsdamer Platz. Da wollten wir zwar nicht hin, schick ist es ja aber, das Sony Center. Während ich noch eine Huldigung an meine Playstation abgebe sucht Jutta verzweifelt weiter nach der U-Bahn, die nun aber leider  den Betrieb bis auf weiteres eingestellt hat.

Und nun kommt der Reiseprofi ins Spiel. Wer schon in Shanghai und Mumbai mit dem Bus gefahren ist, der wird wohl auch in Berlin mit dem Nahverkehr zurechtkommen. Außerdem kommt bei mir jetzt der I-Phone Profi durch. Mit der App „Berlin Fahrinfo“ (Gratis) gebe ich einfach meinen Standort ein, dann den Alexanderplatz und schon sagt mir das Ding, dass ich die U2 nehmen soll. Klasse-Tip. Ich will aber den Bus nehmen. Und warum berücksichtigt das Ding nicht die aktuelle Verkehrslage? Nun, die Antwort ist 1,79 EUR. Soviel kostet die App „Berlin Fahrinfo Pro“, mit Filterfunktion und aktueller Verkehrslage. Da wundert es mich, dass Berlin so pleite ist. Mit dieser App müssen die Milliarden verdienen.

Aber leider kommt der Bus nicht wie versprochen. Auf der Anzeigetafel steht „kommt in 5 min“. Das steht da aber schon etwas länger, wir haben bereits 2 Starbucks Kaffee (Venti Size) und 7 Donuts hinter uns. Der Bus kommt weiterhin in  5 min. Wir scheinen uns an einer Stelle im Raum-Zeit-Kontinuum zu befinden, wo die Zeit stillsteht. Wisst ihr was, wir sind dem schwarzen Loch einfach zu Fuß entkommen. So groß ist Berlin ja nun auch wieder nicht und nach den 7 Donuts ist laufen eh die bessere Alternative.

Wir haben aber ehrlich ein schönes Wochenende in Berlin verbracht. Viel Zeit für Sehenswürdigkeiten hatten wir natürlich nicht, weil wir ja meist auf den Bus gewartet haben. Aber wir sind jetzt viel schlauer und werden wiederkommen. Mit dem Fahrrad.

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