Mit dem Kreuzfahrer ans Nordkap (2)

Mit dem Kreuzfahrer ans Nordkap (2)
Geiranger bis Nordkap / Nordkap bis Lofoten

Der Titel der Geschichte stimmt nicht mehr ganz – das Nordkap haben wir bereits hinter uns und sind schon wieder auf südlichem Kurs nach Hause.

Das Nordkap – der angeblich nördlichste Punkt Kontinentaleuropas. Was natürlich Blödsinn ist, denn das Nordkap liegt auf einer Insel. Die Insel ist zwar nur durch einen kleinen Fjord vom Festland geteilt und mittlerweile gibt es auch einen Autotunnel dorthin aber es bleibt eine Insel. Der  nördlichste Punkt des Festlandes ist halt eher unspektakulär. Aber nein, das ist nicht der Grund -  der Engländer Richard Chancellor war 1553 auf der Suche nach der Nordwestpassage und hat diesem Felsen als Nordkap getauft. In der Tat ist die Insel von der Meerseite nicht als solche zu erkennen, also verzeihen wir ihm mal. Und ehrlich, dieser beeindruckende Schieferfelsen macht doch auch was als Nordkap her. Und in Konkurrenz zu den beiden „Südkaps“ Hoorn (übrigens auch auf einer Insel) und Gute Hoffnung sollte es ja auch fotogen sein. Also ist dieser Schieferfelsen gut als Nordkap geeignet. Sonst ist das Kap eher unspektakulär, bekannt ist aber sicherlich der Globus, der dort als meist fotografiertes Kunstwerk auf dem Felsen steht.

Wir selbst waren nicht dort, denn wir wollten nicht gleichzeitig mit 4000 anderen Besuchern dort sein, also haben wir ein Foto vom Schiff gemacht. Das Wetter war auch klassisch Nordkap. Die Fotos stammen allesamt von unserem Balkon, von dem wir netterweise den besten Ausblick hatten

Das Nordkap

Der berühmte Globus - vom Schiff aus


Wir fahren durch den Fjord "hinter" dem Nordkap - links also der echte nördlichste Punkt Kontinentaleuropas


Trotzdem ist der Ort natürlich beeindruckend, besonders wenn man darüber nachdenkt, wie weit nördlich man hier eigentlich ist. Der Nordpol ist hier näher als unser Zuhause. Wir sind nördlicher als der 71. Breitengrad. Viel weiter nördlich geht kaum als normaler Tourist. Mal so als Vergleich: Das Kap Hoorn im Süden dieser Erde liegt auf dem 56. Breitengrad – das ist bei uns Dänemark. Der nördlichste Punkt Alaskas ist praktisch auf der gleichen Höhe – das muss man sich mal klar machen. Ist schon ein wirklich besonderes Reiseziel. Außerdem wird es hier zur Zeit nie dunkel.

Wie versprochen nun die Geschichte von der Mitternachtssonne. Hier das Bild von heute 1 Uhr. Ok, sieht aus wie ein Sonnenuntergang oder Sonnenaufgang, beides Motive die ich sehr gern fotografiere. Und diesmal ist es das wohl einzige Bild, wo der Sonnenuntergang und der Sonnenaufgang gleichzeitig drauf sind  Und nicht wundern, dass es 1 Uhr Nacht ist, denn auch hier gilt die Sommerzeit, astronomisch ist es also genau Mitternacht. Also fast – denn das stimmt nur auf dem 15 Längengrad genau – wir sind auf dem zwölften. Die 3 Längengrade (15/3 ist 5, ein fünftel einer Stunde sind 12 min. Mitternacht war also astronomisch um 0:48. Aber auch da schien die Sonne.

Sonnenuntergang und gleichzeitig Aufgang



Die Erklärung ist eigentlich ja ganz einfach, unser Bordmagazin hat das alles aber recht komplex ausgedrückt (jetzt Orginalzitat): Besonders interessant ist die Tatsache, dass das Licht der Sonne während der ganzen Nacht sichtbar ist und ab heute, die Sonne nicht mehr untergehen wird, aufgrund des hohen Breitengrades. Dieses Phänomen geschieht, weil die Sonne zum Colatidudes des Beobachters gleich ist. Der Colatidudes entspricht 90 Grad Breite, die Sonne wird zum Horizont im Norden parallel eine Tangente überqueren und somit nicht mehr untergehen. Die Sonne wird cirkumpolar sein beziehungsweise immer sichtbar.

So, jetzt wisst ihr Bescheid, gell?

Wer das oben nicht verstanden hat den helfe ich mit einem Versuch. Ihr nehmt eine Apfelsine und steckt einen Schaschlikspieß rein. Jetzt strahlt ihr die Apfelsine in einem 90 Grad Winkel zum Schaschlikspieß an. Nun dreht ihr die Apfelsine um 23,5 Grad – was dem Winkel der Erdachse zur Sonne entspricht, während der obere Teil des herausragenden Schaschlikspießes Richtung Taschenlampe zeigt. Dies ist jetzt die Situation der Erde zur Sonne am 21. Juni. Wer gerne genauer werden möchte dreht die Apfelsine jetzt 14 Grad um die Taschenlampe rum um die heutige Situation korrekt darzustellen. Und nun dreht ihr die Apfelsine um ihre Schaschlikspießachse und beobachtet, wo es oben drauf immer hell bleibt. Und da sind wir jetzt und können jederzeit die Taschenlampe sehen ;-). Zur Verdeutlichung: Die Sonne dreht einen Kreis um uns herum. Morgens um 6 steht sie im Osten, mittags im Süden, abends im Westen und um Mitternacht halt im Norden. So richtig weit erhebt sich die Sonne nie von Horizont, eigentlich ist es tagsüber fast identisch mit Nachts. Ist schon komisch.

Und wer keine Apfelsine, keinen Schaschlikspieß oder keine Lampe zur Hand hat macht Google Earth auf. Oder guckt bei Wikipedia unter „Mitternachtssonne“. Und noch ein kleiner Kommentar zum Wort „unter gehen“- welches ich hier im Kontext der Sonne verwende (das muss ich jetzt schreiben, die Person, die sich um die Begrifflichkeit der Wortes beschwert hat weiß um wen es geht): Laut Duden hat der Begriff „untergehen“ 3 Bedeutungen, von denen ich die „unter dem Horizont verschwinden“ meine. Die beiden anderen Bedeutungen „unter der Wasseroberfläche verschwinden und nicht mehr nach oben gelangen“ oder „zugrunde gehen“ sind hier nicht gemeint.


Themenwechsel: Wir sind im Tromsö angelangt, der nördlichsten Großstadt der Welt. Wenn denn 72.000 Einwohner als Großstadt gelten dürfen, was wir aber hier mal durchgehen lassen. Überhaupt ist hier – logisch – alles das „nördlichste der Welt“. Die nördlichste Universität, die nördlichste Kathedrale, das nördlichste Orchester, die nördlichste Brauerei und so weiter. Studieren kann man hier – na was wohl – Polarforschung. Überhaupt ist das genau der Grund, warum es diese Stadt gibt. Von hier aus starteten die berühmten Polarforscher (der Name Amundsen sagt euch sicher was) in die Arktis und heute sieht es noch genauso aus. Überall liegen Polarforschungsschiffe, es gibt Polarmuseen und Forschungsstationen. Die Stadt besteht aus Skulpturen von berühmten Polarforschern und das war es auch schon. Sonst sieht sie aus, wie man sich so eine Polarforschungsstadt halt vorstellt. Ein wenig runtergekommen. Aber wer wohnt hier auch freiwillig? Im Sommer kann man nicht schlafen weil es hell ist und im Winter ist immer dunkel. Gruselig.

Tromsö vom Aussichtspunkt Storsteinen
Von hier hat man wirklich einen gigantischen Ausblick

Eine witzige Geschichte hab ich aber noch. Ich musste nämlich eine neue SD Karte kaufen (weil meine anderen an Bord waren) und war daher im lokalen Elektro Markt. Sowas wie Media Markt in etwas kleiner (und gleichzeitig Elektro-Reparaturbetrieb für Polarschiffe). Was ist das Produkt mit der größten Verkaufsfläche? Bei uns sind das ja eindeutig die Fernseher, in Italien Kaffeemaschinen und in Asien Smartphones. Und hier? Lampen – alles voller Lampen. Kein Witz, die Hälfte des Ladens bestand aus tausenden von Lampen. Fernseher gab es 4 verschiedene aber sicher mehr als 1000 Lampen. Tageslichtlampen, riesengroße Deckenlampen, 4000 Watt Gas-Hochdruckstrahler. Alle sehr schick. Eigentlich ja logisch, ist aber doch ungewohnt. Wenn ihr also mal ne schicke Lampe braucht – ab nach Tromsö.

Unsere "Brücke"
Eine Erklärung übrigens wegen der wenigen Fernseher. Hier gibt es nix, was mit Satelliten zu tun hat. Kein Sat-TV, kein Meteosat. Geostationäre Satelliten über dem Äquator können so weit nicht gucken und die in einer Umlaufbahn fliegen hier nicht hin. Deren Inklination liegt selten über 60 Grad, selbst die GPS Satelliten haben nur eine Inklination von 55 Grad, allerdings reicht das um noch eine Positionsbestimmung zu machen – was in unserem Fall extrem wichtig ist. Ehrlich, unser GPS ist das meist konsultierte Gerät in unserer Kabine neben dem Fernglas und der Kamera. Und Kontakt zu euch können wir natürlich auch ohne die Satelliten halten, denn hier gibt es überall LTE Mobilfunk.


Auch die Ausfahrt aus Tromsö ist wunderschön

 

Heute sind wir bei den Lofoten und haben nun endgültig unseren Tagesablauf umgestellt. Das schönste an einer Norwegenkreuzfahrt ist nämlich das Fahren durch die Fjorde. Üblicherweise sagt man ja einer Kreuzfahrt einen großen praktischen Nutzen nach, weil man nachts wenn’s dunkel ist fährt und dann jeden Tag woanders an Land gehen kann. Hier ist es anders rum. Erstens wird es nicht dunkel und zweitens ist das Fahren interessanter als anhalten. Also sind wir jetzt nachts bzw früh morgens wach und schlafen tagsüber. Heute z.B. waren wir bis 1 Uhr wach, weil die Sonne so schön schien und um 5 fuhren wir dann um die Lofoten rum. Also waren wir dann wach und haben schon um halb sieben gefrühstückt. Ist uns im Urlaub noch nie passiert, aber man muss sich halt anpassen.







Das Design der Norwegischen Küste ist in der Tat einen Preis wert. Freunde von „Hichhikers Guide to the Galaxy“ wissen – den Preis hat der Planetenarchitekt Slartibartfass auch wirklich bekommen – und zu Recht. Wie er selbst sagt – die Gestaltung der Küste war eine kniffelige Angelegenheit. Hat sich aber gelohnt finde ich. Also bleiben wir weiter nachts wach und genießen von unserem Balkon die Küste. Heute Nacht geht die Sonne (endlich) mal wieder unter – ich bin schon richtig gespannt.

weiter zum 3. Teil

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