Teil 8 - Höfn bis Laugarfell
Die Ostfjorde
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Ostfjorde - hohe Berge und tiefe Fjorde |
Wir verlassen Gletscher und Sander. Ab hier gibt es jetzt nur noch einsame Fjorde und steile Berghänge, die sichtbar der Erosion ausgesetzt sind. Hier ist der Vulkanismus längst erloschen und der Zahn der Erdgeschichte nagt an den Bergen. Die Fjorde sind tief eingeschnitten und unsere Fahrt von hier in den Osten wird 330 km betragen, bei 110 km Luftlinie.
Wir starten die Tour an dem rauen Strand Lækjavik mit zwei imposanten Basaltformationen. Einmal ein Feslklotz, einmal eine dreieckige Felsenwand, die diesen tiefschwarzen Strand ein gewisses Flair verleihen. Schon vorher sehen wir die wilde Küste mit imposanten Felsformationen und rauen Stränden, die direkt unterhalb der 1000 m hohen Berge liegen. Die Straße führt teilweise durch Geröllhänge die beim darüber fahren wirklich etwas unsicher aussehen. Die Straße ist aber gut gegen herabfallendes Geröll gesichert, es sieht aber trotzdem sehr abenteuerlich aus. Irgendwie werden wir das Gefühl nicht los, die Straße rutscht gleich ab. Auf dem Foto unten ganz hinten könnt ihr euch das vielleicht vorstellen, auch wenn man die Straße im Geröllhang nicht sehen kann (so etwa in der Mitte). Links von und thronen die über 1000 m hohen Berge, rechts von uns liegt sie raue Küste Islands. Hinter jedem Hügel, hinter jeder Abbiegung gibt es etwas Neues zu entdecken und wir freuen uns jedes Mal über Kurven und Straßenkuppen da die Blicke auf die Landschaft immer abwechslungsreicher werden. Zusätzlich ist hier deutlich weniger los. Nach dem Jökulsárlón gibt es keine Tourbusse mehr, nur noch Individual Camper treffen wir hier - und auch deutlich weniger.
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Lækjavik |
Unser erster Stopp ist der kleine Ort Djúpivogur (dt. „Tiefe Bucht“) vor dem ersten großen Fjord, dem Berufjörður. Es ist ein kleiner Ort mit ca 400 Einwohnern, der heute noch vom Fischfang lebt. Im kleinen Hafen des Ortes liegen viele Fischerboote aller Größen, das allein gibt dem Ort ein gemütliches Flair.. Interessant ist das alte rosafarbene Handelshaus Langabúð links vom Hafen, heute ist es ein Café und ein Lokalmuseum. Es zeugt noch heute vom Handel mit den Deutschen, wo die Hanse-Kaufleute die 1589 von dänischen König das Handelsrecht erhielten. Interessant fanden wir auch das Kunstwerk „Eggin í Gleðivík“ (dt.: „Die Eier in der Gleðivík-Bucht“). Sigurður Guðmundsson hat hier Steinnachbildungen von 34 übergroßen Vogeleiern installiert, die Farbe und Textur von hier brütenden Vögeln zeigt. Sehr originell.
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Eier in Djúpivogur |
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Der Hafen Djúpivogur |
Übernachtet haben wir auf einem wunderschönen Stellplatz in Eyjolfsstaðir nur 15 km entfernt - der ganz klar beste Platz in den Ostfjorden (wir kennen jetzt ja alle). Er liegt im Fossadarlur (dt. “Wasserfalltal”) am Ende des Fjords auf 80 m Höhe mitten in den Bergen sehr idyllisch direkt am Fluss Fossa. Das Tal heißt nicht umsonst Wasserfalltal, denn 25 schöne Wasserfälle gibt es hier, wir haben nachgefragt. Vom Campingplatz aus gibt es viele Wanderungen, 2 Wanderungen haben wir gemacht. Wieder hatten wir dank unserer Buchrecherche ein tolles Gespräch mit der Campingplatzbetreiberin, sie hat und detailliert Auskunft über die vielen Wanderungen hier gegeben. Eine kleine Wanderung war am Abend vor dem Essen. 2,5 km, 100 m Höhenunterschied, ca. 1 Std mit Fotostopps. Ein wenig klettern war auch dabei, sonst sehr spannend, da der Weg nicht bezeichnet war und wir uns ein paar mal verlaufen haben.
Am nächsten Morgen ganz früh dann zu den 5 Wasserfällen, 16 km, 500 m Höhenunterschied, 5 Stunden . Es war eine sehr lange, anstrengende aber tolle Wanderung. Wir waren allein mit der Natur und den vielen Wasserfällen. Meine Drohne durfte ihre Batterien leer fliegen und die Wasserfälle waren wirklich imposant. Wir haben aber immer noch Muskelkater.
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Das Fossadarlur |
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Einer der Wasserfälle |
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Alex begeistert (wer mich erkennen kann...) |
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Auch viele Vögel gibt es - hier eine Schnepfe |
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Wanderung immer am Fluss lang |
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Und noch ein Wasserfall |
Weiter geht es auf der Ringstraße einmal um den Fjord Berufjörður herum. Von hier aus können wir Djúpivogur wieder sehen, es ist nur 4 km entfernt. Auf der Straße waren es 40. In Berunes scouten wir einen Campingplatz und dann geht es auch schon weiter immer den Fjorden entlang, es folgen Stöðvarfjörður und Fáskrúðsfjörður. Bei der Fahrt von der Küste in den Fjord hinein gibt es gigantische Ausblicke. Die Berge sind sehr zackig, teilweise schneebedeckt und tief schneiden sich die Fjorde ins Land. Die Berge um uns herum sind allesamt mehr als 1000 m hoch. Die Relation der Größe fehlt aber völlig. Wenn da ein Fernsehturm oder ein hohes Gebäude wäre, es würde verschwinden, aber die Relation wäre wenigstens da. Es ist unbeschreiblich. Auf der Fahrt haben wir noch 2 Campingplaätze untersucht, beide liegen direkt an der Straße und sind nix für uns. Beiden Orten gehen so langsam die Einwohner aus, die Einwohnerzahlen schrumpfen regelmäßig. Stöðvarfjörður ist mittlerweile für die Steinesammlung von Petra Sveinsdóttir bekannt - eine wirkliche beachtliche Ansammlung von selbst gesammelten Mineralien. Nicht nur die Steine und die schiere Anzahl beeindruckt, sondern das Leben von Rita. Hier wird sehr persönlich dokumentiert, wie Rita jeden Tag auf Steinesuche geht und ihr Hobby ausgelebt hat. Fáskrúðsfjörður (Franzosenfjord) ist bekannt durch die jährlichen Besucher französischer Fischer die von 1825 bis 1914 Jahr für Jahr zum Fischen hierher kamen. Es war die wichtigste französische Fischerniederlassung in den Ostfjorden - mit eigenem Konsulat, Krankenhaus und Kapelle. Die Straßennamen sind bis heute in französischer Sprache und ein Museum zeugt von dieser Vergangenheit.
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Ein kleiner Teil von Petras Steinesammlung |
Weiter nach Reyðarfjörður geht es durch den 5,9 km (!) langen Tunnel Fáskrúðsfjarðargöng. Wir kommen durch die Orte Reyðarfjörður und Eskifjörður, die heute hauptsächlich wegen des riesigen Aluminiumwerkes bekannt sind, dass hier wie ein Monster am Fjord auftaucht. Der amerikanische ALCOA-Konzent baute hier ab 2002 das größte Aluminiumwerk Europas. Es entstanden tausende Arbeitsplätze und die strukturschwache Region schien aufzublühen. Die Einwohnerzahl von Reyðarfjörður stieg von 700 auf über 2000. Die Produktion von Aluminium ist in Island die Antwort auf die riesige, CO2 neutrale Stromproduktion des Landes. Da Strom nicht exportierbar ist - Aluminium aber schon, hat dieser Wirtschaftszweig in Island einen hohen Stellenwert. Um dieses riesige Werk zu betreiben wurde im Hochland ein riesiger Staudamm gebaut - das Kárahnjúkar-Kraftwerk mit einer Leistung von 690 MW ist es eines der größten Wasserkraftwerke Europas. Das Kárahnjúkar-Projekt brachte aber Islands politische Kultur an die Grenzen - es gab heftige Demonstrationen und zehntausende Menschen protestieren gegen den Bau. Es ist auch heute noch, lange nachdem der Bau abgeschlossen ist weiter ein großes Thema auf Island. Es waren übrigens nach dem NATO Betritt Islands die einzigen gewalttätigen Demonstrationen auf Island. Wenn man denn Skyr werfen als gewalttätig bezeichnet, denn so demonstrieren die Isländer. Immerhin wurden 57 km² Fläche geflutet und wie wir heute erfahren haben, war es das Gebiet der Rentiere hier. Ist ein schwieriges Thema.
Aber erst einmal nach Neskaupstaður. Hier gibt es nämlich ein schönes Schwimmbad und wir müssen mal wieder duschen. Wir finden einen traumhaften Stellplatz direkt über dem Fjord und dann ist auch noch das Wetter tropisch. Was in Island heißt - es ist über 20 Grad. Unglaublich. Das hätten wir nicht gedacht. Auch ein kleiner Spaziergang ist drin und wir entdecken eine riesige Lawinenawabwehranlage. Hier starben 1974 12 Menschen bei einer großen Lawine (was in Island übrigens "Snjóflóð" heißt). Warum hier am Ende der Welt überhaupt ein Ort steht ist für uns kaum begreifbar. Bis 2017 war er nur über eine schwierige Passstraße zu erreichen, letztes Jahr wurde der 7,5 km lange Tunnel Norðfjarðargöng eröffnet. - um einen Ort mit 1400 Einwohnern zu erreichen. Das wäre so, als ob man um Tornesch einfacher zu erreichen eine Brücke über die Elbe baut. So verrückt das auch klingt, hier steht das drittgrößte Krankenhaus Islands. Warum im Himmel man ein Krankenhaus ans Ende der Welt baut ist uns immer noch nicht klar. Bitte schaut euch den Ort mal auf Google Maps an, ihr werdet verstehen, was wir meinen.
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Das Lawinen-Bollwerk |
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Unser Stellplatz - tolle Aussicht |
Und zum Schluss noch etwas Atemberaubendes für uns. Eigentlich wollten wir an den See
Lagarfljót. Aber heute ist Sonntag, was wir irgendwie verdrängt haben weil Wochentage für uns die Bedeutung verloren haben. Aber jeder (wirklich jeder) Isländer fährt bei gutem Wetter (und es ist irre gutes Wetter gerade). an diesen See. Warum? Nun, jeder mag das, was er am wenigsten hat. So fährt der Isländer im Urlaub logischerweise in die Sonne, also nach Kalifornien oder Spanien. Entfernungsmäßig ist das egal. Aber das ist hier nicht das Thema, in Island fahren die Isländer in den Wald. Und hier am See ist der größte Wald der Insel. Also der Einzige. Die Campingplätze sind total überfüllt - und keine Touristen sind zu sehen. Also fahren wir dahin. was der Isländer eh zu Hauf hat. Langweilige Wasserfälle, endlos kalte Gletscher oder das trostlose Hochland. Wir entscheiden uns für Hochland. Gebt jetzt mal Laugarfell bei Google Maps ein (
oder hier der Einfachheit halber als link). Ihr seht nix? Dann ist der link richtig. Hier kann man gefühlt 1000 km weit gucken. Im Hintergrund thront der größte Berg außerhalb der Gletscherregionen, der 1833 m hohe Snæfell. Er ist immer mit Schnee bedeckt, daher sein Name “Schneeberg”. Aber das wirklich atemberaubende - hier ist eine heiße Quelle, daher auch der Name (Laugar = warm, fell = berg). 2 Hot-Post mitten in der Natur bescheren uns ein Badeerlebnis der besonderen Art. Der eine hat angenehme 38°C, der andere 42. Das ist wirklich warm. So warm, dass wir sogar in der abendlichen Kälte in Badehose umherspazieren. Denn es wird kalt. Heute Nacht kommt ein Sturm. Also richtig. Es sind 100 km/h vorhergesagt hier im Hochland. Bei uns nennt man so etwas Orkan, Hier heißt das "Wind Warning". Drückt uns die Daumen.
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Laugarfell Hot-Pots |
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Und ich selber im 42°C heißen Pool |
Und noch eine Leserfrage möchte ich beantworten. Das Verhältnis der Isländer zu Militär, der NATO und zu Krieg. Dazu muss man wissen, dass Island eines der wenigen Länder der Erde ohne eigenes Militär ist. Es ist ja ein sehr junges Land. Bis 1944 war Island ja dänisch und daher unter der Obhut des dänischen Militärs. Nach der Unabhängigkeit kam niemand auf die Idee eigener Streitkräfte. Nun ist aber Island ein wichtiger, strategischer Punkt im Nordatlantik. So beschloss man 1949 den Beitritt in die NATO, übrigens als einziges Mitglied ohne militärische Verpflichtungen - es gibt ja auch keines. Island hat nur zugesagt, Land für militärische Zwecke den Partnern kostenlos zur Verfügung zu stellen. Aber alleine das führte zu den heftigsten Reaktionen der Bevölkerung, es gab gewalttätige Ausschreitungen und Massendemonstrationen. Die ersten der jungen Republik. (Die zweiten waren wie gesagt 2002 wegen des Staudammprojekts, daher passt das gerade gut hierher). Was dazu führte, dass man für die Amerikaner das unwirtlichste Gebiet der Insel, die Lavafelder von Reykjanes aussuchte. Daher steht heute übrigens der internationale Flughafen dort - in Keflavik. Das Problem hat sich übrigens mittlerweile gelöst weil nach dem Ende des kalten Krieges alle ausländischen Truppen Island wieder verlassen haben. Warum gerade sie Isländer so pazifistisch eingestellt sind kann ich nicht beantworten, ihre Wikinger-Vergangenheit kann es ja nicht sein. In den alten Sagas, immerhin die beliebteste Literatur hier, geht es auf jeden Fall ständig um Mord und Totschlag. Meiner Meinung nach geht aber eher darum, dass der Isländer sich nicht von Fremden (und schon gar nicht von den Amerikanern) irgend etwas sagen lassen will. Aber in der Tat war Island schon mal in einen Krieg verwickelt - den Kabeljau-Krieg mit den Briten. Beim Fisch versteht der Isländer nämlich keinen Spaß. Bei diesem Krieg wurde aber niemand verletzt, nur ein paar Schrammen an britischen Kreuzern durch die isländsiche Küstenwache. Beendet wurde der Krieg durch die Drohung der Isländer aus der NATO auszutreten. So viel zu dem Thema.
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