Wir dachten ja schon oft, am Ende der Welt zu sein. Und nun sind wir wirklich da. Es ist ein surrealer Ort. Dort steht ein riesiges Hotel, in das wir uns nicht hinein trauen, weil es dort sicher spukt. Keine Ahnung, warum hier so ein riesiges Hotel steht, mitten im Nirgendwo, wahrscheinlich ist es nur das Film-setting eines alten Hitchcock Streifens. Das Hotel hat ein 50 m Schwimmbecken und steht mitten auf einer heißen Quelle, überall dampft es und blubbert, es liegen Rohre herum und Wasser fließt. Zeitgleich scheint die Sonne und es regnet in Strömen. Ich muss unweigerlich an das Buch von Douglas Adams “Das Restaurant am Ende des Universums” denken, denn hier sind wir gerade. Willkommen in den Westfjorden.
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mit 50m Pool |
Hier liegt die äußerste, westliche Spitze Islands, eine Halbinsel mit 50 tief eingeschnittenen Fjorden und hohen, schneebedeckten Bergen - es ist eine eigene Welt. Von der Nordspitze sind es nur 300 km bis nach Grönland, kaum weiter als zur Hauptstadt Reykjavik. Diese Gegend dürfen wir fast als ganz anderes Land bezeichnen, so unterschiedlich ist es hier im Vergleich zum restlichen Island. DIe Westfjorde sind nur spärlich besiedelt, der Tourismus fasst erst langsam Fuß in dieser verlassenen Gegend, und genau das macht den Reiz aus. Keine Tourbusse fahren hierher, asiatische Besucher kriegen wir keine mehr zu Gesicht, das Fehlen der ganz großen Attraktionen lässt eher natürlichen und ruhigen Tourismus aufkommen. Daher zählen die Westfjorde auch bei den Isländern noch zum Geheimtipp. Wer Ruhe und Entspannung sucht, wilde Landschaft, tiefblaue Fjorde, weite Strände und Vogelklippen- der ist hier richtig.
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Sogar riesiger Strand |
Allerdings sind eine Menge Straßenkilometer zu fahren um die Gegend einmal zu umrunden. Die tief eingeschnittenen Fjorde zollen ihren Tribut aber entschädigen mit faszinierenden Ausblicken direkt von der Straße. Oftmals scheint die Straße im Fjord zu enden oder an einem Berg. Teilweise verliert sie sich im Himmel und über einem Kliff. Vorsichtiges fahren ist hier Lebensnotwendig, ohne Leitplanke geht es gerne einmal hunderte Meter senkrecht abwärts, es gibt unzähliche Blindhæds und raue Schotterpisten. Wir sind müde und kaputt von hunderten Kilometern Schotterpiste über schneebedeckte Bergpässe, unser Auto sieht aus wie Sau und tiefe Wolken überziehen das Ganze zu einem mysteriösen Gesamteindruck, der das feeling des Weltendes nur noch verstärkt. Aber der Reihe nach.
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Ruhe in dem Westfjords |
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Kirchen stehen hier auch immer fotogen rum |
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Hier haben wir frische Waffeln gegessen |
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Unser Wohnmobil nimmt Tarnfarbe an |
Bevor wir so richtig in die Westfjorde rein sind haben wir uns 2 Tage Pause auf einem herrlichen Stellplatz direkt am Fjord und neben dem herrlichen Schwimmbad gegönnt, Wellness sozusagen. Hier haben wir die Wikinger-Prüfung abgelegt und dürfen jetzt die isländische Staatsbürgerschaft beantragen. Denn wir waren das erste Mal im Eisbad. Das sind Becken mit 4 Grad kaltem Wasser, in denen der Isländer sich gerne aufwärmt. Quatsch, das tut er um seine Überlegenheit gegenüber Touristen zu demonstrieren aber nun ist Schluss damit. Wir können das auch. Natürlich nur, weil der 42°C warme Hot-Pot genau daneben steht. Wir verstehen jetzt auch den Sinn dieser sehr warmen Töpfe, die eigentlich bisher immer ein wenig zu heiß für uns waren. Nach dem Eisbad ist es aber herrlich. Und Freibad nicht genug, in der Nähe finden wir auch herrliche heiße Töpfe direkt am Meer. Es stürmt gerade wie verrückt, der Himmel ist wolkenverhangen, da macht Hot-Pot so richtig Spaß. Nur rauskommen ist schwieriger, aber wir sind ja Wikinger.
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Schöner Stellplatz mit Fjordblick und Schwimmbad nebenan. |
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Hot Pot am Meer |
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Wie komme ich hier wieder raus? |
Und danach fahren wir weiter zu dem oben genannten Hotel und wissen immer noch nicht, wo wir da waren. Immerhin haben wir dort auch eine Salzmanufaktur besucht, die mit Hilfe des Meerwassers und der 98°C heißen Quelle hier Salz herstellt und an Touristen verkauft. Ich hatte übrigens ein sehr nettes Gespräch mit dem Inhaber und kann euch jetzt auch den großen Unterschied von (ungereinigtem) Meersalz zu Steinsalz (also aus einer Saline) erklären. Denn während Steinsalz zu fast 100% aus Natriumchlorid besteht hat Meersalz eine viel höhere Konzentration an anderen Salzen, hier hauptsächlich Kalium- und Magnesiumchlorid. Nur das Natriumsulfat (Glaubersalz) entfernt er, das kristallisiert schon bei ca 25%, das wirkt ja abführend. Es liegt hier draußen auf der Halde. Habe ich wieder etwas gelernt, sogar mit eigenen Augen gesehen. Auch die Salzblume, das “Fleur de Sel” konnte ich hier schön sehen, da die Verdunstung ja im windstillen Raum stattfindet.
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Die Salzblume |
In Ísafjörður (dt. „Eisfjord”) angekommen glauben wir zunächst in einer riesigen Metropole angekommen zu sein. Nach mehreren Tagen in den Westfjorden und Nordisland fühlt sich die 2500 Einwohner Stadt riesig an. Allein der Flughafen macht einen weltstädtischen EIndruck und ein Kreuzfahrer liegt an der gegenüberliegenden Pier als wir hier ankommen. Als vor einiger Zeit die deutsche Presse über einen 3D-Zebrastreifen in der Stadt berichtet hat (siehe Foto) habe ich mich darüber lustig gemacht, wer braucht überhaupt einen Zebrastreifen in der Stadt mit so wenig Einwohnern? Aber jetzt wird es klar. Wir haben seit vielen Tagen keinen Menschen mehr auf der Straße gesehen - nur Schafe. Da macht ein besonderer Zebrastreifen schon Sinn - wir sind in der Zivilisation. Die Stadt bietet alles was unser Camperherz begehrt: Einkaufsmöglichkeiten, Gasversorgung (Flasche war leer), Tankstelle und einen traumhaften Campingplatz etwas außerhalb des Ortes an einem kleinen Wasserfall direkt am Bach. Wundervoll.
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Die 2.500 Einwohner Metropole Ísarfjördur |
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mit einem 3D-Zebrastreifen |
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Schwierig da drüber zu kommen |
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Toller Stellplatz am Bach und rauschenden Wasserfall |

Für die weitere Fahrt in den Süden der Westfjorde gilt es nun alle Gegenstände im Wohnmobil besonders gut zu verstauen. Jetzt folgt eine fast 100 km lange, anstrengende Schotterpiste. Und das nicht einfach geradeaus und flach, es folgen mehrere Passüberquerungen der 500m hohen Berge. Wir haben zusätzlich noch schlechtes Wetter, und tiefe Wolken ab ca. 400 Höhenmetern und dadurch oben auf dem Pass kaum Sicht, was Abenteuer bedeutet, aber super anstrengend zu fahren ist ( Ich muss zugeben - Jutta fährt) . Als wir aus der Wolkendecke wieder herauskommen und den unter uns liegenden Fjord entdecken werden wir dafür mit einer grandiosen Aussicht belohnt. Unten am Fjord angekommen können wir unser Ziel in 12 km Entfernung (Luftlinie) auch schon gut erkennen, den majestätischen Dynjandi. Der Wasserfall Dynjandi (dt. “der Dröhnende, Tobende) zählt zu den schönsten Wasserfällen der Insel, für viele ist er der schönste Wasserfall überhaupt. Eigentlich heißt er Fjallfoss, durch seinen Lärm und die mächtige Ausstrahlung hat sich aber Dynjandi durchgesetzt. Seine besondere Form - einem Brautschleier gleich - ist er wirklich einzigartig. Seine Breite beträgt oben 30m, unten fast 60m, er ist 100 m hoch. Ein gigantischer Wasserfall. Aber nicht nur das, hier in der Schlucht fällt der Fluss Dynjandisá kaskadenförmig gleich durch mehrere Wasserfälle, die schon imposant genug sind. Fotos sind schwierig, wegen der ganzen Gischt hier. Hat aber natürlich geklappt. Jutta ist mit im Bild, sonst wäre die Größe dieses Wasserfall-Giganten kaum zu erkennen.
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Dynjandi |
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mir vielen kleineren Kaskaden |
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Riesig |
Am nächsten Tag machen wir uns auf den Weg zu einem weiteren Highlight der Westfjorde, dem Vogelfelsen Látrabjarg. Die Fahrt dorthin ist nicht ganz einfach, es sind 33 km Piste zu meistern, die teilweise sehr tiefe und sehr viele hässliche Schlaglöcher hat. Es wird anstrengend. Aber nicht langweilig, denn hier gibt es auf der Fahrt einiges zu sehen. Zuerst machen wir einen Stopp beim ehemaligen Walfangschiff Garðar BA 64. Es wurde 1912 unter dem Namen Globe IV in Norwegen in Dienst gestellt, es war das erste Stahlschiff, welches in Island operierte. Es war mit kräftigen Dampfmaschinen ausgestattet und besitzt einen verstärkten Rumpf für Operationen im Eis. Es war lange als Walfänger unterwegs bis es in Island nach 1963 als Heringsfänger eingesetzt wurdem und dann seinen heutigen Namen bekam. Es wurde 1981 ausgemustert und hier auf den Strand gesetzt, wo es bis heute vor sich hin rostet und ein schönes Fotomotiv abgibt.
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Garðar BA 64 |
Der Látrabjarg ist der größte Vogelfelsen Europas, Millionen Vögel sollen hier brüten, hauptsächlich Möwen, Lummen, Tordalken und Papageientaucher. Vor allem die putzigen und in Kontinentaleuropa kaum zu sehenden Papageientaucher ziehen viele Besucher an diesen Ort. Bei unserer Ankunft war der Parkplatz Mitte Juli fast überfüllt - und das hier am Ende der Welt. In der Tat kann man hier die Tiere aus nächster Nähe bestaunen, weniger als einen Meter hinter der Absperrung bewachen die beliebten Vögel ihre Bruthöhlen. Das Kliff hier ist sehr imposant die Felsen sind bis zu 441 m hoch und ragen senkrecht aus dem Meer. Das Kap Bjargtangar auf dem wir hier stehen ist übrigens der westlichste Ort Europas.
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441 m hoch, der Látrabjarg |
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Papageienetaucher sind immer süß |
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Der hier bewacht grimmig seine Höhle |
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Bereit zum Abflug |
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Mal ein Pärchen |
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Auch die Tordalken brüten hier, sehen auch irgendwie schnittig aus. |
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